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Ein Jahr ist seit dem letzten Editorial vergangen. Anlass für einen Rückblick!

Die Zeitungen sind weiterhin voll von deprimierenden Nachrichten. Zu allem anderen kommt jetzt auch noch das Wetter hinzu. Oh ja, das Wetter! Rekord-Temperaturen und Dürre nicht nur in Afrika, Asien, Nord- und Süd-Amerika, am Nord- und am Südpol, sondern auch bei uns in Mitteleuropa. Schwitzend wächst die Überzeugung, dass es einen Klimawandel gibt und dass wir Menschen möglicherweise dafür die Verantwortung zu tragen haben.

The good news: Eine junge Frau, ein Teenager aus Schweden, hat sich vor einem Jahr vor das schwedische Parlament gesetzt, um jetzt sofort wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz einzufordern. Auf der ganzen Welt haben junge Menschen begonnen, die Schule zu schwänzen, um sich an den Fridays-for-Future-Sitins zu beteiligen, die dieses Mädchen initiiert hat. Wie ein Wunder ist das Mädchen aus dem Nichts aufgetaucht. Und ebenfalls wie ein Wunder hören Menschen jeden Alters und aus vielen Ländern – auch Politiker – auf sie und beginnen zu handeln.

The bad news: Die Veränderung der Spielregeln auf der öffentlichen Bühne des Welt-Geschehens. In The New Yorker Magazine stieß ich auf eine verblüffend unverblümte Darstellung dieser neuen Regeln aus dem Mund einer angesehenen Person des öffentlichen Lebens[1].

Mit „A lie is a lie“– eine Lüge ist eine Lüge – fing der Bericht an. Zitiert wurde die Schauspielerin Whoopie Goldberg. Am 2. Mai befand sie sich am Set von ‚The View‘[2], einer Mittags-Talkshow, die sie mitmoderierte. Es ging um den neuen U.S.-Justizminister William Barr, der behauptet hatte, die Ermittlungen des Sonderberaters Robert Mueller um den Präsidenten der U.S.A. seien nicht so alarmierend wie es scheine – und der Donald Trumps Behauptung bekräftigt hatte, dass es keine geheimen Absprachen und keine Behinderungen in der Russland-Affäre gegeben habe[3]. Goldberg war fassungslos: „Unsere Eltern haben uns beigebracht, dass es Konsequenzen hat, wenn man lügt”, sagte sie. „Wo sind die Konsequenzen?”[4].

Ihr Gast, der Strafverteidiger, Hochschullehrer und Publizist Alan Derschowitz, erwiderte: „Die werden sich im November 2020 zeigen, wenn wir alle zu den Wahlen gehen und gegen diejenigen Leute wählen, von denen wir glauben, dass sie uns angelogen haben. Aber –“, und er hielt seinen Finger hoch, um dies zu betonen, „es wäre ein schrecklicher Fehler, Lügen zu kriminalisieren”[5].

Als Goldberg skeptisch blieb, vor allem auch im Hinblick auf die Rechtfertigung Barrs, bot ihr Dershowitz folgende Erklärung an: Den Kongress oder das FBI anzulügen sei zwar illegal, aber die Öffentlichkeit irrezuführen sei es nicht: „In einem Rechtsstaat müssen wir zwischen Sünde und Verbrechen unterscheiden“, sagte er, „Es gibt kein Bundesgesetz, nach dem es illegal ist, die Medien anzulügen“[6].

Etwas später in dem Artikel wird eine Richterin zitiert, die früher mit Dershowitz zusammengearbeitet hat: Dershowitz habe lange vor anderen in seiner Position begriffen, wie wichtig es ist, sich der Medien zu bedienen. Er selbst formulierte das 2013 in seinen Memoiren ‘Taking the Stand’[7] folgendermaßen: „Wenn man weder das Recht noch die Tatsachen auf seiner Seite hat, muss man seinen Fall vor der öffentlichen Meinung verhandeln[8]”.

Alan Dershowitz ist weder der erste noch der einzige, der die Bedeutung der Medien und der öffentlichen Meinung entdeckt hat und sie zu seinen Gunsten oder zu Gunsten seiner Mandaten und Anhänger zu nutzen weiß. Bereits in der Antike wurde der Begriff des Demagogen geprägt. Im Lauf der Geschichte spielten Demagogen mal eine positive, mal eine negative Rolle. Wichtig ist es immer, sie zu erkennen und ihre Absichten zu hinterfragen!

Peggy Zeitler, August 2019

 

[1] “Devil's Advocate”, The New Yorker, Aug. 5 & 12, 2019

[2]  "Der Standpunkt".

[3] “… was not as alarming as it seemed - endorsing Donald Trump's claim there had been 'no collusion, no obstruction' in the Russia case”.

[4] “’Our parents taught us, if you lie, there are consequences,' she said. 'Where are the consequences?’”

[5] “’They come back in November of 2020, when we all go to the polls and we vote against people that we think lied. … But it would be a terrible thing' - he held up a finger for emphasis - 'to criminalize lies.’”

[6] “The rule of law requires that we distinguish between sins and crimes. … There's no federal crime that says that it's illegal to lie to the media.”

[7] 'Im Zeugenstand'

[8] “If you don't have the law or legal facts on your side, argue your case in the court of public opinion”.