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morgens auf der Fußmatte vor der Haustür und abends „The Evening Star“ bin ich aufgewachsen: Zwei wichtige, aber sehr unterschiedlich geprägte Zeitungen der damaligen Zeit in Washington D.C. Heute kann ich mir die Tageszeitung zwischen 4 und 5 Uhr in der Früh aus dem Briefkasten holen und rund um die Uhr auf meine englischen Zeitungen im Computer zugreifen. Ein Leben ohne Zeitungen kann ich mir nicht vorstellen.

Die 50er Jahren, die sogenannte Nachkriegszeit, als ich in den USA in die Schule ging, sind für mich prägend gewesen. Die Gefahr des Kalten Krieges bestimmte unser Leben noch nicht. Uns ging es gut. Es herrschten Frieden und Wohlstand und uns wurde auf entzückende Weise Verantwortung für die Gemeinschaft eingetrichtert.

Über „Smokey the Bear“ kann ich mich heute noch freuen. Das drei Monate alte Bärenkind war aus einem Baum vor einem Wildfeuer im Bundesstaat New Mexico gerettet worden und wurde im ganzen Land berühmt als Maskottchen gegen Flächenbrände. Wir kannten alle „Smokey the Bear“ mit seiner Mahnung „Only YOU can prevent forest fires!"(Nur DU kannst Waldbrände verhindern), die überall im Land auf Plakaten, im Fernsehen und anderswo zu sehen war. Der Spruch wurde für jedes erdenkliche Thema abgewandelt: „Only YOU can....!" – zum Beispiel in einer Kampagne gegen „Littering“, der Entsorgung von Müll auf der Strasse, vor allem aus dem Auto heraus. Bis zu seinem Tod im Alter von 26 Jahren lebte „Smokey the Bear“ als Star im National-Zoo in Washington D.C.

In dieser sicheren und vertrauenerweckenden Atmosphäre also bin ich groß geworden und ich habe so ziemlich alles geglaubt - bzw. an alles geglaubt - was ich gehört, gesehen oder gelesen habe.

Aufgewacht aus dieser Gut-Gläubigkeit bin ich u.a. durch den Einfluss meiner Schwester. Sie hatte sich mit ihrem Wunsch, studieren zu dürfen, durchgesetzt, was damals nicht selbstverständlich war, und ging schon zur Universität. Ich selbst war mit meinen 11 oder 12 Jahren gerade alt genug, dass sie nicht mehr zu Hause auf mich aufpassen musste und mich zu ihren Freunden mitnehmen konnte, wo ich mich still und artig benahm.

An eine bestimmte Situation erinnere ich mich besonders gut, bei der die Zeitung eine Rolle spielte. Die lustige Gesellschaft hatte sich über einem Zeitungsartikel zerstritten. Diesen Artikel hatte auch ich gelesen. Es ging um Politik - wie hätte es auch anders sein sollen in der Hauptstadt des Landes? Wer in Washington lebte, das damals eher eine Kleinstadt war - im Charakter durchaus München ähnlich, als ich 1967 hierher kam - interessierte sich für Politik und war auf für mich unerklärliche Weise "informiert". Mir war es schleierhaft, woher all dieses Wissen kam.

Die Freunde diskutierten unendlich lang. Immer neue Informationen, neue Betrachtungen und Denkansätze brachten sie hervor. Nicht im Entferntesten hatte ich geahnt, was es alles zwischen den Zeilen zu entdecken gab. Mir fiel damals das Wort "behind" ("dahinter") ein, das für mich auch heute noch immer wieder dieses Gefühl beschreibt, das ich beim Zeitungslesen habe. „There is more than meets the eye“ – es gibt mehr, als das Auge fassen kann.

In der letzten Zeit kommen mir die Nachrichten so deprimierend vor, dass ich an manchen Tagen gar keine Lust auf meine Zeitungen habe. Von dem, was ich von anderen höre, stehe ich wohl mit diesem Gefühl auch nicht allein da.

Schlechte Nachrichten sind allerdings keine Erfindung unserer Zeit. Wenn ich nur mein eigenes Leben betrachte und die ganze übrige Geschichte der Menschheit außen vor lasse, hat es genug Deprimierendes gegeben - auch wenn nach zwei Weltkriegen die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als relativ friedlich gilt.

Ich selbst bin hier 1967 eher ahnungslos und frisch vom friedlichen Studium in den USA mitten in die nicht gerade harmonische 68er-Zeit hineingeplumpst. Nicht zu vergessen auch die über Deutschland hinaus verbreitete Gewalttätigkeit der 70er Jahre.

Und auch in den USA, von denen ich eigentlich meinte, sie in einem friedlichen Zustand verlassen zu haben, gab es zur gleichen Zeit „the civil rights movement“ (die Bürgerrechtsbewegung), die „Black Panther“ Partei und die Aufstände in den schwarzen Ghettos der Großstädte. Es gab eine, so will es mir erscheinen, mildere Studentenrevolte als in Europa, die von der Hippie Kultur begleitet wurde, und schließlich den Vietnam-Krieg samt einer landesweiten Anti-Kriegs-Bewegung.

Doch all den schlechten Nachrichten zum Trotz ist die Liebe zu meinen Zeitungen zu groß, als dass ich sie aufgeben könnte. Aber ich treffe jetzt eine strenge Auswahl, wenn es darum geht, mehr als bloß die Schlagzeilen zu lesen. Etwas Freude muss schließlich sein! Eine meiner Zeitungen hat wohl das Ungleichgewicht zugunsten der negativen Nachrichten erkannt und bietet neuerdings eine tägliche Kolumne der "good news" an.

Hier ein paar "good news", die mir in der letzten Zeit Freude gemacht haben (allesamt aus der SZ):

"Kühler Kopf - Winterbilder erhöhen die Konzentration" von Christian Weber

"Der Traum vom Schlaf - Fast alle Tiere müssen schlafen, aber sie machen das auf extrem unterschiedliche Weise. Davon kann auch der Mensch lernen" (auch von Christian Weber)

"Wilde Schwestern - Sie sind die vergessenen Verwandten der Honigbiene, dabei sind die Wildbienen fleißiger, weniger verzärtelt und mindestens genauso hübsch" von Tina Baier.

Und für unsere Architekten und StädtebauerInnen:
"Der Vorläufer - Andreas Kipar verschlug es einst von Gelsenkirchen nach Mailand. Heute zählt er zu den international gefragtesten Landschaftsarchitekten, die für die Planung der Städte immer wichtiger werden" von Henning Klüver.

Peggy Zeitler, August 2018